Kalenderblatt Juli 2021

Juli 2021

Die Tötung des Pfarrers zu Wabern - Anno 1569

Dieser Bericht basiert auf einem Schreiben des Landgrafen Wilhem IV. von Hessen — Kassel, dem ältesten Sohn von Philipp dem Großmütigen, verfasst am 24. August 1569 in Obervorschütz. Er antwortet auf die Stellungnahme seiner Räthe in Kassel zu dem Tötungsdelikt am Waberner Pfarrer. Dieser wurde durch einen Steinwurf tödlich verletzt. Die folgenden Textpassagen wurden gekürzt und teils unserem heutigen Sprachverständnis angepasst.

„Räthe und liebe Getreuen. Wir haben Euer Bedenken in peinlichen Sachen, den entleibten Pfarrherrn zu Wabern betreffend empfangen, gelesen, und befinden aus Eurem Bedenken, das Ihr darin alle veralteten Gesetze, so sie zur Verteidigung des Täters dienlich sind, heranzieht, und wenig bedenkt, dass Gott der Herr, als höchster Richter ausdrücklich gebietet, wer Menschenblut vergießt, desselben Blut soll wieder vergossen werden.“

Es scheint, dass dem Landgrafen das Urteil seiner Räthe zu wohlwollend ausfällt. Im Gegensatz zu ihnen befindet er, dass dem Täter doch Arglist unterstellt werden könne, da er gesagt habe, er wolle dem Pfaffen mit Steinen das Beten lehren. Auch könne er nicht glauben, dass der Stein den Pfarrer zufällig getroffen habe oder der Täter in Notwehr gehandelt habe.

„Außerdem geben wir euch zu bedenken, dieweil der Täter nach seiner eigenen Aussage zum Pfarrherren gesprochen haben will, warum schluget ihr mich mehrmals, und der Pfarrherr darauf geantwortet haben soll, dass es solches noch einmal tun wolle, wie er auch alsbald darauf zu dem Zaun gegangen, ein Pfahl oder eine Stange abgehauen und wieder zu ihm zugetreten sei. Ob der Täter dadurch dermaßen genötigt worden sei, sich mit dem Pfarrherrn in solch tätliche Handlung einzulassen und sonderlich ihm einen Stein über den Steg zu werfen? Ob er nicht unterdes, da der Pfarrer den Pfahl gehauen und damit zu ihm gegangen, genug Zeit gehabt hätte, davon zu laufen und zu entfliehen?

Weiterhin wundert sich der Landgraf, dass die Räthe einen Steinwurf weniger schwerwiegend bewerten als die Verletzung mit einem Schwert. Dass der Täter mit dem Entleibten nichts zu tun gehabt hätte und kein böser Vorsatz bestanden hätte, würde sich im Gerede der Leute aber ganz anders anhören. Deshalb solle der Täter eingekerkert bleiben. Die Akten samt einem ausführlichen Bericht sollen an die Universitäten in Marburg und Leipzig geschickt werden, weil es eine geistliche Person beträfe und ihm, dem Landgrafen, die Sache hoch angelegen sei.

Leider werden in dem Schreiben weder die Namen des Täters noch des Opfers noch der Ort des Geschehens genannt. Es könnte sich aber um den ersten nachgewiesenen Pfarrer in Wabern Johannes Hellwig handeln, geboren um 1490, immatrikuliert in Erfurt 1508, Priester in Wabern ab 1522. Im Jahr 1571 war die Pfarrstelle in Wabern anscheinend noch unbesetzt, da der Pfarrer von Harle fünf Gulden Visitiergeld erhält. Ab 1572 ist dann Heinrich Scheffer als Pfarrer nachweisbar. Auch bleibt im Verborgenen, was der Anlass der Auseinandersetzung war, und wie das Verfahren für den Täter ausging. Pfarrer Hellwig jedenfalls scheint ein streitbarer Geist gewesen zu sein. Im Staatsarchiv Marburg existiert eine weitere Akte aus dem Jahr 1558 über einen strittigen Pferdekauf zwischen Tiele Becker alias Grunemey in Netze und dem Pfarrer Johannes Helwig in Wabern.

Quellen:
Hess. Staatsarchiv Marburg, Bestand 17 | Nr. 3441
Geschichte der evang. Kirche in Wabern von Karl Bernd Groß in: 1175 Jahre Wabern

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