Kalenderblatt September 2018

September 2018

Wabern - ein Verkehrsknotenpunkt im 19. Jahrhundert

Die Kerngemeinde Wabern ist im vergangenen Jahr aufgrund der Festlegung durch das Staatsarchiv Marburg 1200 Jahre alt geworden. In dieser Zeit haben unsere Vorfahren viele unterschiedliche Zeitalter durchlebt. Jeder dieser Geschichtsabschnitte brachte für unsere Gemeinde und seine Bürger, besonders in der wirtschaftlichen Entwicklung und Struktur, Veränderungen mit sich.

Nach einer Berufsstatistik von 1772 überwogen die Handwerksberufe. Neben 22 Knechten und 32 Mägden waren 1 Arzt, 3 Schäfer, 18 Tagelöhner und -innen, 18 Arbeiter und 27 Handwerker registriert. Dazu kamen 20 höfische Beamte, wie Gärtner, Förster, Reiherheger, Heuwieger, Tagwächter, Bienenaufseher, Uhrsteller, Schulmeister und 2 Schulzen. Der Bevölkerungsanteil der Bauernfamilien lag bei 54 %, was für ein Dorf in dieser Zeit als relativ gering anzusehen ist. Im Vorwort der Chronik von 1992 hat der damalige Bürgermeister Günter Jung die Gesamtentwicklung der Gemeinde in der Neuzeit von drei "Zufalls-Faktoren" abgeleitet:

Die Brutkolonie der Graureiher in den damals noch ausgedehnten Laubwaldungen in der Schwalmaue und die barocken Jagdgewohnheiten der hessischen Landgrafen, besonders Landgraf Carl, der aus diesem Grund sein Jagdschloss, den Karlshof, errichtete. Die guten Klima- und Bodenverhältnisse der Waberner Senke waren für den Zuckerrübenanbau besonders geeignet und führten zum Standort der Zuckerfabrik. Der frühzeitige Bau der Eisenbahn von Kassel nach Wabern und später bis Frankfurt (Main-Weser-Bahn) sowie die Nebenbahn bis Bad Wildungen und später weiter über Korbach bis ins Ruhrgebiet.

Damit verbunden die Entwicklung des Post- und Fernmeldewesens. Hierdurch entstanden Infrastrukturvorteile, die zum Teil bis in die heutige Zeit wirken. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Sonderstellung unter den Orten der weiteren Umgebung, die auf der Lage der Straßennetze beruht.

Die wichtigste Straße in Nordhessen war die Frankfurter Straße. Sie wurde als erste Straße in Nordhessen bereits 1770 ausgebaut. Zur gleichen Zeit erfolgte eine Verlegung des Abschnittes Gudensberg-Fritzlar-Kerstenhausen nach Kassel über Wabern nach Kerstenhausen. In der Katastervorschreibung von 1772 wird berichtet, dass der ein Jahr zuvor erfolgte Ausbau der Frankfurter Poststraße über Wabern sehr rasch einen starken Durchgangsverkehr gebracht habe. Spanndienste und Wegearbeiten kämen zwar allen zu Gute, den Hauptvorteil von der Verkehrszunahme hätten jedoch Gast- und Ausspannwirtschaften, von denen es zahlreiche gab. Die Ausspannwirtschaften boten die Unterbringung und Verpflegung von Pferden und Reisenden an. Überliefert sind seit 1820 die ehemalige Wirtschaft Winkelbaum/Otto, heute Heinrich Otto, Wilhelm-Dilich-Straße 18, (Kalenderblatt 03/2004) und die Gaststätte "Zum goldenen Löwen" Otto/Hühner, heute Helmut Hühner (Kalenderblatt 01/2001), der "Weiße Hof" in der Wilhelm-Diiich-Straße 13, heute Fleischerei Wenghöfer (Kalenderblatt 10/2001) und die Gaststätte "Zur Traube", heute Erna Otto, (Kalenderblatt 09/2003) Der Grund für diese für Wabern wesentliche Straßenverlegung war, dass Fritzlar zum Erzbistum Mainz gehörte, Wabern dagegen zur Landgrafschaft Kurhessen.

Schon im 17. Jahrhundert sollen nach Sandner zahlreiche Ausspannwirtschaften in Wabern bestanden haben. Die größte Bedeutung hatte die Frankfurter Straße zwischen 1770 und 1830, als durch die politische Entwicklung die Rheinschifffahrt auf die Weser abgelenkt wurde und von den Umschlagplätzen Karlshafen und Hann.Münden die Waren per Fuhrwerke auf ihr nach Süddeutschland transportiert wurden. Die Bedeutung von Wabern als Verkehrsknotenpunkt stieg, als bis 1840 auch die Verbindung nach Ziegenhain (über Uttershausen) ausgebaut worden war. Eine direkte Verbindung nach Unshausen entstand erst mit dem Bau der Schwalmstraße (heute B 254) im Jahre 1840. Quelle: Wabern - die Entwicklung eines nordhessischen Dorfes unter Einfluss der Verkehrszentralität von Gerhard Sandner (Marburg 1958)

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