Kalenderblatt Oktober 2013

Oktober 2013

Mein Elternhaus - Erinnerungen von Martha Möslein (1982)

"Zu meinem 90. Geburtstag überbrachte mir Bürgermeister Wöllenstein eine Ehrenurkunde mit dem Wappen von Wabern. Darauf waren der Reiher, die Zuckerrübe und die Carlskrone abgebildet.

Mir wurde plötzlich klar, dass meine Familie und mein Elternhaus in der Frankfurter Str. 3, einen Bezug zum Wappen mit Reiher, sogar zum Reiherwald hat. Mein Urgroßvater Strippel war zur Zeit des Landgrafen Carl von Hessen Förster im Reiherwald. Er bekam ein Försterhaus mit Garten, eine Kuh und 3 Acker Land als Deputat. Damals waren Förster noch keine Beamten.

Als der Völkerkrieg 1813 tobte und die Preußen mit Verbündeten in der Völkerschlacht bei Leipzig gewonnen hatten, zogen die letzten Truppen Napoleons durch den Reiherwald in Wabern. In der Nähe des Forsthauses meines Urgroßvaters ließen sie einen Planwagen mit Munition explodieren. Das Forsthaus war hin, das Viehzeug tot, die Reste von Möbeln und Hausrat lagen in über 100 m Entfernung verstreut umher. Mein Großvater hatte wohl nichts Gutes geahnt und hatte sich vorher glücklicherweise mit seiner Familie im Reiherwald versteckt. Plötzlich war er nun mit seiner Familie ohne Bleibe und darüber hinaus auch seine Stellung los. Es blieben ihm nur noch 3 Acker Land.

Bei der Abholzung des Reiherwaldes stand aber noch ein anderes Forsthaus, was gut erhalten war. Dieses wurde behutsam abgerissen, dass man die brauchbaren Eichenbalken (Gerüst) wieder aufstellen konnte. Das geschah auch und zwar in der Frankfurter Straße 3. Fenster und Haustüren fanden Wiederverwendung. Auch eine grüne Tür, die heute, trotz Umbau, noch da ist. Dieses Försterhaus erhielt mein Urgroßvater und 3 Acker Land.

Mein ältester Bruder, Heinrich Strippel, im Jahre 1875 geboren, hat ebenso wie der gleichaltrige Herr Thielepape noch daran erinnert, dass der Reiherwald früher bis zur Forststraße ging. Ich war damals noch nicht auf dieser schönen Weit, als der Reiherwald abgeholzt wurde. Doch später als Kind, habe ich noch die Prämierung der Äcker erlebt, denn wir hatten auch 12 Acker Land davon erworben.

Mein 1818 geborener Großvater Heinrich Strippel - er war bei der damals aufkommenden Eisenbahn beschäftigt - erhielt von meinem Urgroßvater besagtes Forsthaus als Erbe, ebenso die 3 Acker Land. Und er vererbte das Anwesen wieder an meinen Vater, Johannes Strippel.

Mein Vater, geboren 1850 und von Beruf Maurer, machte später dann seine Meisterprüfung. Seine errichteten Gebäude, aus roten Backsteinen mit gelben Backsteinen verziert, erinnern mich noch heute an seinen Baustil. Er und meine Mutter, deren Mädchenname Christine Blackert lautete - Ihr Großvater war in Niedermöllrich Lehrer auf Deputat - haben mir, die ich immer sehr wissbegierig war, dies alles erzählt. Die Explosion des Munitionswagens war in einem Soldatenkalender abgebildet. Ich habe ihn immer in Ehren gehalten, aber durch die Wirren des 2. Weltkrieges ist er mir abhanden gekommen".

Quelle: Jahrbuch des Schwalm-Eder-Kreises 1982
Anmerkungen:
Urgroßvater: Johann Heinrich Strippel * 14.11.1775
Großvater: Johann Heinrich Strippel * 17.02.1818

Anmerkung der Redaktion: Die obenstehende Überlieferung ist als nette Anekdote zu betrachten. Neueste Nachforschungen haben ergeben, das sich die tatsächlichen Ereignisse um die Explosion eines Munitionswagens anders darstellen.

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