Kalenderblatt Dezember 2008

Dezember 2008

Der Kirchenknopf der evangelischen Kirche

Als im Jahr 2005 der Kirchturm für Renovierungsarbeiten eingerüstet war, wurde dabei auch die Wetterfahne mit dem darunterliegenden Knopf abgenommen. Da es seit jeher üblich ist, bei diesen Gelegenheiten im Knopf ein Dokument zu hinterlegen, kam eine stattliche Anzahl von Schriftstücken zum Vorschein. Die beiden ältesten Urkunden sind auf den 13. September 1769 datiert. In der einen berichtet der Grebe Johannes Feyerabendt in kurzen Worten von der mit gemeindeeigenen Mitteln durchgeführten Kirchturmreparatur und nennt daran anschließend die Namen des Pfarrers Conrad Beck, des Schulmeisters Nickolaus Streckert, den der Kirchenältesten und Vorsteher, des Burggrafen Erasmus Sippell, des Schlossgärtners Conrad Harbordt sowie der 78 Familienvorstände in Wabern. Abschließend ist noch der Name des Dachdeckers Dallwirt und seines Gesellen Vogt aus Kassel aufgeführt. In der zweiten Urkunde vom gleichen Tag legt der Pfarrer Johann Conrad Beck seine Gedanken nieder, ohne jedoch ausführlicher auf die Arbeiten einzugehen.

Im Jahr 1824 fand die nächste Reparatur statt, wie sich aus der Urkunde des damaligen Pfarrers Ludwig Werner vom 6. Juli entnehmen lässt. Wiederum wurden das Dach und der Turm instand gesetzt, die Kosten dafür betrugen 90 Reichstaler. Neben der Nennung der Waberner Einwohner, die ein Amt bekleideten, geht er auf einige bedeutendere Ereignisse der damaligen Zeit ein, so u.a. auf den Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken, der Einführung einer neuen Landesverfassung, die Fruchtpreise im Land und den Bau der neuen Straße zwischen Wabern und Fritzlar.

Die nächste Kirchturmreparatur fand bereits 27 Jahre später im Jahr 1851 statt, da die vorhergehende Reparatur offensichtlich nicht ausreichend gut ausgeführt wurde. Die Kosten der Reparatur wurden wiederum von der Gemeinde getragen, nur die Gelder für die neuen Kirchentüren kamen aus dem Kirchenkasten. Pfarrer Werner geht diesmal nur auf die schlechte Kartoffel-, aber reiche Getreideernte sowie die guten Fruchtpreise ein. Wegen des Baus der Eisenbahn sind die Grundstücke in der Gemeinde im Wert gestiegen.

Am 3. April 1886 berichtet der Weissbindermeister Ludwig Österling aus Wabern, dass er den Kirchenknopf gestrichen hat. Am 18. September 1905 hinterlegen Pfarrer Kröger sowie der Dachdeckermeister Johannes Horstmann jeweils ein weiteres Dokument anlässlich einer Dachreparatur. Die nächste Urkunde vom 27. September 1933 enthält einen "Bericht über die Situation der Gemeinde", verfasst von Hauptlehrer Weidemann, der darin unverkennbar von der Euphoriewelle nach der Machtübernahme Hitlers erfasst ist. Offenbar war ihm das zu späterer Zeit unangenehm, schreibt er doch als Nachsatz anlässlich der Reparatur von 1950: "Der Schreiber der Urkunde aus dem Jahre 1933 hält heute noch seine Niederschrift voll und ganz aufrecht, da die Angaben der damaligen Situation voll und ganz entsprachen. Eine große Enttäuschung ist uns, der heutigen Generation, zu Teil geworden."

Bemerkenswerter sind jedoch die drei anderen Niederschriften von Bürgermeister Bockemühl vom 24. März, von Pfarrer Metz, datiert auf den 26. März, sowie von Ernst Edelmann vom 6. April 1950. Alle stehen noch unter dem Eindruck der Ereignisse der vergangenen fünf Jahre. Ernst Edelmann geht ausführlich auf die Geschehnisse beim Einmarsch der Amerikaner am 30. März 1945 ein. Auch die Berichte von Pfarrer Metz, der sich zwar über die Rückkehr der größeren Glocke in die Kirche im Jahr 1949 freut, und Bürgermeister Bockemühl zeigen die Verstörtheit von weiten Kreisen der Bevölkerung.

Der Tradition folgend, wurden dann auch im Jahr 2005 neue Schriftstücke hinterlegt, um künftigen Generationen Bericht abzugeben.

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