Kalenderblatt Mai 2003

Mai 2003

Die große Flut vom 17. Mai 1943

Im Jahr 2003 jährt sich zum sechzigsten Mal die Bombardierung der Ederseestaumauer. Durch die Bombe wurde ein riesiges Loch in das Bauwerk gerissen, als dessen Folge eine Flutwelle das untere Edertal überrollte. Die Ederseemauer hatte bis dahin als sicher gegolten, da ein Anflug mit einem Bomber als nicht möglich erachtet wurde. Und tatsächlich, erst die allerletzte Bombe, abgeworfen von einem englischen Lancaster- Bomber, erreichte ihr Ziel. Die zylinderförmige Bombe war vor dem Abwurf in Rotation versetzt worden und sprang über das Wasser bis zur Mauer, um dann an ihr entlang in die Tiefe zu rollen und ihr zerstörerisches Werk zu vollenden. Nur so konnte das von den Engländern angepeilte Ziel erreicht und die folgenden apokalyptischen Ereignisse in Gang gesetzt werden. Wilhelm Wiegand berichtete später in der von ihm verfassten Familienchronik über die Ereignisse in Wabern:

Am 17 Mai 1943 wurde durch einen englischen Flieger nachts um 2 Uhr die Talsperrenmauer 15m tief gesprengt. Um 3 Uhr morgens bekamen wir Alarm. Menschen und Vieh musste sich in Sicherheit bringen. Alles flüchtete sich mit ein paar Habseligkeiten auf den Hungerberg, nach Uttershausen und Udenborn. Um 4:30 rückte ich mit einem Handwagen mit Bettzeug und den beiden Jungen Horst und Wilfried nach Udenborn ab. Meine Frau und Elisabeth brachten noch einen Handwagen voll Wasche mit. Um 5:30 stürzten sich die Wasserfluten über Wabern: Vieh konnten wir nicht mehr retten. Es sind uns ertrunken: Ein Schwein, zwei Ziegen, ein Lamm, sechs junge Gänse, 27 Kaninchen.

Zwei Nächte haben wir in Udenborn geschlafen. Am zweiten Tag abends konnten wir wieder in unsere Wohnung kommen. Wir fanden im Dorfe und in der Wohnung eine schreckliche Verwüstung vor. In unserem Hause hat das Wasser 1,2 m und im Stall und Waschküche 1,7 m hoch gestanden. Alles was nicht niet- und nagelfest war, war fortgeschwommen. Das Wasser stand in der Breite bis zum neuen Friedhof an der Uttershäuser Straße. Von unserem Staketenzaun war nichts mehr zu sehen. Die Gartenerde war fortgeschwemmt. Bäume, Bretter und Holz war angeschwemmt. Die Miste, Hacken, Schippen, Besen, Gartenrechen, Holzstalltür, Hauklotz war alles weg. Der Schlamm in der Wohnung lag 20 cm auf Sofa, Tisch und Bänken, auf der Wäsche im Kleiderschrank, überall. Man wusste überhaupt nicht, wo man mit reinigen zuerst anfangen sollte. Arbeitsdienst und die Frauenschaft aus den benachbarten Gemeinden waren eingesetzt, diese haben tüchtig zugepackt wo es galt wieder Ordnung zu schaffen.

Außer einem gefangenen Franzosen sind zum Glück keine Menschen ertrunken, dass heißt, nicht in Wabern. Nach dem Zeitungsbericht hat die Katastrophe an die 100 Menschen gekostet. Der Schaden, der hierbei verursacht wurde, machte sich ganz besonders an den alten Lehmhäusern bemerkbar. Die meisten Häuser mussten unterfangen werden, weil die Lehmsteine alle durchweicht waren. So mussten wir auch unser Haus einer Reparatur unterziehen. Das untere Stockwerk wurde massiv ausgebaut. Wegen Nässe wurde unter Stube, Kammer und Küche eine 20 cm starke Zementschicht gebracht, Die drei Zimmer mussten neu gedielt werden. Zu diesen Arbeiten war eine Baukompanie 1/2 Jahr lang in Wabern tätig. Die Kosten wurden vom Staat getragen.

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